Zweites Deutsch-Ukrainisches Schriftstellertreffen in der Ukraine
EINE BRÜCKE AUS PAPIER zeigt sich 2016 wieder in einer ukrainischen Stadt, diesmal in Dnipro, in der zentralöstlichen Ukraine, am großen Fluss Dnipro, gelegen. Hier findet vom 10. – 12. November 2016 das Zweite Deutsch-Ukrainische Schriftstellertreffen mit Autorinnen und Autoren aus der Ukraine und Deutschland statt.
Das Schriftstellertreffen von Lwiw / Lemberg, mit dem Ende August 2015 Eine Brücke aus Papier erstmals in Erscheinung trat, erfüllte unsere Erwartung, dass Begegnung und Kennenlernen der Literatur des Anderen eine Beziehung nicht nur zwischen Schriftstellern, sondern auch zwischen Kulturen begründet. Der Lemberger Essayist und Übersetzer Jurko Prochasko trug auf unserem Treffen vor, dass jede Beziehung »ein Interesse, eine Auseinandersetzung, eine Beschäftigung miteinander voraussetzt« und führte weiter aus: »Ließe man sich einmal ernsthaft auf die ukrainische Kulturgeschichte ein, würde man ziemlich schnell feststellen, dass alle ihre Hauptentwicklungslinien und zentralen Episoden integrale Bestandteile der gesamteuropäischen Kultur und Geschichte, ja, aus ihr gar nicht wegzudenken sind«. Oder wie es der große Osteuropa‑ und Ukrainekenner Karl Schlögel auf dem Treffen von Lwiw ausdrückte, die Ukraine sei ein Europa im Kleinen, in seiner Stärke und Gefährdetheit.
DNIPRO (von 1926 bis 19. Mai 2016 Dnipropetrowsk, russisch Dnepropetrowsk), auf beiden Seiten des Stroms Dnipro gelegen, hatte seit seiner Gründung 1787 – in Anwesenheit der russischen Zarin Katharina II. und des habsburgischen Kaisers Joseph II. – viele Namen und auch den informellen Namen Rocket City als Zentrum des Raketenbaus zu Zeiten der Sowjetunion, weshalb Ausländer jahrzehntelang keinen Zugang zu der Stadt hatten. Ihr erster Erbauer war kein geringerer als Fürst Potjomkin.
Heute hat die Millionenstadt eine amerikanisch anmutende Skyline und ist die große Wissenschafts- und Industriemetropole der unabhängigen Ukraine. Mit deutscher Geschichte ist die Stadt, wie fast alle Städte in der Ukraine, in dramatischer Weise verbunden. Im August 1941 einmarschiert, hatten die Deutschen, als sie die Stadt, verdrängt von der Roten Armee, im Oktober 1943 räumen mussten, fast die gesamte jüdische Bevölkerung der Stadt ermordet und eine große Zahl der Bewohner als Zwangsarbeiter ins Deutsche Reich verschleppt.
Dnipro hatte 2014 einen eigenen Euromaidan und verteidigte sich erfolgreich gegen Einschüchterungsakte der damaligen Regierung als auch gegen Übergriffe russischer Separatisten nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland. In dieser Zeit war Ihor Kolomojskyi, einer der reichsten Männer der Ukraine, Gouverneur der Oblast Dnipropetrowsk. Er stiftete als aktives Mitglied der wieder erstandenen jüdischen Gemeinde seiner Stadt mit anderen das neue jüdische Zentrum Menorah, das auch das »Tkuma – Ukrainisches Institut zur Erforschung des Holocaust« mit seinem Jüdischen Museum beherbergt.
Deutschland
Jan Himmelfarb (Prosa), geb. 1985 in Charkiw / Ukraine, lebt in Bochum.
Nancy Hünger (Lyrik, Prosa), geb. 1981 in Weimar, lebt in Erfurt.
Dea Loher (Prosa, Drama), geb. 1964 in Traunstein, lebt in Berlin.
Petra Morsbach (Prosa, Film), geb. 1956 in Zürich, lebt in Starnberg bei München.
Fridolin Schley (Prosa), geb. 1976 in München, lebt dort.
Ernest Wichner (Lyrik, Prosa), geb. 1952 in Guttenbrunn (Banat) Rumänien, lebt in Berlin.
Ukraine
Juri Andruchowytsch (Lyrik, Prosa), geb. 1960 in Iwano-Frankiwsk, lebt dort.
Andrej Krasnjaschtschich (Prosa), geb. 1970 in Poltowa, lebt in Charkiw.
Kateryna Mischtschenko (Prosa), geb. 1984, in Poltawa, lebt in Kiew.
Oksana Sabuschko (Prosa), geb. 1960 in Luzk , lebt in Kiew.
Grigory Sementschuk (Lyrik), geb. 1991 in Lwiw, lebt dort.
Natalka Sniadanko (Prosa), geb. 1973 in Lwiw, lebt dort.
Vortragende
Guido Hausmann, geb. 1960, Professor für Geschichte Ost- und Südosteuropas an der Universität Regensburg.
Wolfgang Mössinger, geb. 1957 in Zell am Harmersbach, Generalkonsul der Bundesrepublik Deutschland Donetzk / Dienstsitz Dnipro.
Katharina Raabe, geb. 1957 in Hamburg, freie Verlagslektorin für osteuropäische Literaturen und eine der einflussreichsten Vermittlerinnen ukrainischer Literatur in Deutschland.
Sergej Zhuk, geb. 1958 in Dnipropetrowsk, seit 2003 Professor für osteuropäische und vergleichende Geschichte an der Ball State University in Muncie, Indiana (USA).
Victoria Narizhna, geb. 1982 in Dnipropetrowsk, Übersetzerin, Essayistin, Kolumnistin, Kulturmanagerin und Bürgerrechtlerin, lebt in Dnipro.
Künstlerische Leitung
Verena Nolte, München
Projektbetreuung
Anita Fellner und Anton Fellner (auf freiwilliger Basis)
Julia Owtscharenko, Dnipro
Iryna Rybko
Dolmetscher:innen
Nadja Hrynyk
Juri Durkot
Natalya Kulabucha
Moderation
Verena Nolte, München
Judith Leister, München
Nelia Vakhovska, Kiew
Übersetzer:innen
Deutsch-Ukrainisch
Jurko Prochasko (Dea Loher),
Chrystyna Nazarkewytsch (Nancy Hünger, Ernest Wichner), Ludmila Nor (Petra Morsbach),
Juri Durkot (Fridolin Schley, Guido Hausmann,
Katharina Raabe),
Natalya Kulabucha (Jan Himmelfarb)
Ukrainisch–Deutsch
Grigory Sementschuk (Beatrix Kersten, Ulrike Almut Sandig)
Deutsch–Russisch
Natalya Kulabucha (Jan Himmelfarb)
Russisch–Deutsch
Olga Radetzkaja (Andrej Krasnjaschtschich),
Lydia Nagel (Sergei Zhuk, Victoria Narizhna)
Kulturallmende hat Christian Schnurer, geb. 1971 in Schwandorf, Oberpfalz, mit den Fotoarbeiten und dem Filmdokument seiner Kunstaktion Ostexport zum Projekt Eine Brücke aus Papier in die Ukraine eingeladen. Zwei Galerien der »Brücken«-Städte, die Ya Galerie Kunstzentrum Dnipro und die Dzyga Galerie Lwiw, bieten dem Künstler Raum für seine Ausstellung, mit maßgeblicher Unterstützung des Goethe-Instituts Ukraine. Schnurer startete im Oktober 2015 von München nach Kiew, über Wien, Bratislava und Budapest mit dem Expeditionsprojekt »Ostexport« in einem Trabant mit einem rosa eingepackten Abwurftank sowjetischer Herkunft auf dem Autodach, um Krieg und die glorifizierenden Denkmäler, vor denen er in jeder Stadt Halt machte, in Frage zu stellen.
Lorenz Kloska, Filmemacher aus München, begleitete die gesamte Aktion mit Kamera und Ton. Der Film Ostexport – unterwegs mit dem Exportweltmeister von München nach Kiew (Länge 60 min.) wurde am 6. Oktober 2016 im Arena Filmtheater in München uraufgeführt.
am Donnerstag, 10. November und Freitag, 11. November:
SPALAH, Prospekt Dmytra
Yavornytskogo 5, Dnipro 49005.
Tel. +380 (98) 01 01 202
am Samstag, 12. November:
Ermitage-Saal im STUDENTENPALAST
(ehemals Potjomkin Palais) der Oles-Gontschar-Nationaluniversität,
Schewtschenko Platz 1,
Dnipro 49005.
Das Treffen wird simultan gedolmetscht (Sprachen: Ukrainisch, Deutsch, Russisch).
10.00–13.00 Uhr
Begrüßung und Einführung
Leseperformance: Verena Nolte und Judith Leister stellen die Schriftsteller/innen vor.
14.30–18.00 Uhr
Vortrag – Wolfgang Mössinger
Deutscher Generalkonsul in Donezk – Dienstsitz Dnipro.
Über die deutschen Aktivitäten in der Ostukraine.
Vortrag – Sergei Zhuk
Jugendkultur und Hinwendung zum Westen in der sowjetischen Ukraine: Die Rolle der Siebziger Jahre.
Vortrag – Guido Hausmann
Transformation eines Flusses: der Dnipro im 20. und frühen 21. Jahrhundert.
Diskussion
19.30 Uhr
Abendempfang des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland Donezk / Dienstsitz Dnipro
Grand Hotel Ukraine, vul. Korolenko 2,
Dnipro 49005 (auf Einladung).
10.00 Uhr
Exkursion
Besuch des Jüdischen Zentrums Menorah, des Jüdischen Museums und des Tkuma, Institut zur Erforschung des Holocaust.
11.45–13.00 Uhr
Zusammenkunft mit dem Historikerclub Dnipro (Sprecher Professor Guido Hausmann). Veranstalter: Tkuma und Historikerclub.
14.30–17.00 Uhr
Vortrag – Katharina Raabe
Schutzlose Territorien. Die Wahrnehmung der ukrainischen
Gegenwartsliteratur im deutschsprachigen Raum.
Vortrag – Victoria Narizhna
Schreiben und Publizieren in der Ukraine: Sackgassen, Entwicklungen und Herausforderungen.
Diskussion
19.00 Uhr
Kunstaktion
Filmvorführung Ostexport von und mit Christian Schnurer in seiner gleichnamigen Ausstellung. Im Anschluss führt Juri Durkot, Lwiw, ein Künstlergespräch (deutsch / ukrainisch).
Ya Galerie, Husenka vul. 17, Dnipro. (Eingang von vul. O. Honchara)
10.00 Uhr
Stadtbegehung mit Führung
durch Victoria Narizhna (Englisch)
Fortsetzung des Schriftstellertreffens im Ermitage-Saal des STUDENTENPALASTS
14.30 Uhr
Lesung / Vortrag
Ernest Wichner
Geschichte und Geschichten
Mit Herta Müller und Oskar Pastior 2002 auf Recherche-Reise in den Oblasten Dnipropetrowsk und Donezk / Ukraine.
Juri Andruchowytsch
Über Alphabete, Enzyklopädien und Landkarten: Aus dem »Vorwort nach Art einer Bedienungsanleitung aus Kleines Lexikon intimer Städte. Autonomes Lehrbuch der Geopoetik und Kosmopolitik«.
Anschließend Diskussion und Resümee des Treffens, Planung weiterer Treffen.
20.30 Uhr
Lange Lesenacht
mit allen Autoren des Treffens
Kleiner Saal im Studentenpalast (ehemals Potjomkin Palais) der Oles-Gontschar-Nationaluniversität, Schewtschenko Platz 1, Dnipro.
Förderung
Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland Bayerisches Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst Kulturreferat der Landeshauptstadt München (für die Website paperbridge.de)
Kooperation
Goethe-Institut Ukraine
Kultura Medialna, Dnipro
Ya Galerie Kunstzentrum, Dnipro
Tkuma Institut zur Erforschung des Holocaust und Jüdisches Museum, Dnipro
Dzyga Galerie Lwiw
Familienfreizeit Buchclub Ukraine
Kulturamt der Stadt Lwiw (Lviv – City of Literature)
Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland Donezk / Dienstsitz Dnipro