Eine Brücke aus Papier 2022

UKRAINISCH-DEUTSCHES SCHRIFTSTELLER:INNENTREFFEN IM KRIEG

bap-das-treffen-2022

Das Literatur- und Kunstprojekt EINE BRÜCKE AUS PAPIER brachte seine ukrainisch-deutschen Schriftsteller:innentreffen auf den Weg, als die Ukraine 2014 von Russland in einen Krieg gezwungen wurde, der hierzulande bald vergessen war. Aber diese Begegnungen, die wir mit wechselnden Teilnehmenden jährlich in einer anderen Stadt veranstalteten, riefen den andauernden Kriegszustand in Teilen der Ukraine immer wieder ins Bewusstsein. Die Namen der Städte, die wir nach und nach aufsuchten, verweisen heute auf die Angriffe gegen das Land und die Zerstörungen, ausgeübt durch die russische Armee: Lwiw, Iwano-Frankiwsk, Dnipro, Kyjiw, Charkiw, Mariupol. Das Treffen in Mariupol 2018 ist durch den Film Nachtzug nach Mariupol von Wanja Nolte dokumentiert, abrufbar auf paperbridge.de. Nachdem die Stadt nahezu dem Erdboden gleich gemacht wurde, trägt der Film nun den Charakter eines schmerzlichen historischen Dokuments. Allerdings hatten auch schon die Texte und Vorträge vorheriger Treffen die zunehmende Anspannung und Bedrohungslage in der Ukraine zum Thema gemacht.

Der am 24. Februar 2022 offen ausgebrochene russische Angriffskrieg, der nicht nur die gesamte Ukraine, sondern letztlich auch Europa trifft, hat verhindert, dass „Eine Brücke aus Papier“ in diesem Jahr wie vorgesehen in Mykolajiw nahe des Schwarzen Meeres veranstaltet werden konnte. Vielmehr entstand eine Fluchtbewegung in umgekehrter Richtung, innerhalb der Ukraine und aus der Ukraine nach Westen. Unter den oft traumatisierten Geflüchteten sind Schriftsteller:innen unseres Netzwerks – häufig begleitet von ihren Kindern und deren Großmüttern. Es lag nahe, sie zusammenzurufen und hierzulande mit den deutschen und deutschsprachigen Schriftstellerinnen und Schriftstellern in Austausch zu bringen. Die in München stattfindende Veranstaltung „Mit dem Angstkoffer unterwegs“, Auftakt für die diesjährige Zusammenkunft, geht aus dieser Fluchterfahrung unmittelbar hervor. Ihr folgt ein dreitägiges „Ukrainisch-deutsches Schriftsteller:innentreffen im Krieg“, das erstmals in Weimar stattfindet – auf Einladung der Klassik Stiftung Weimar, insbesondere der Herzogin Anna Amalia Bibliothek, und in Kooperation mit dem Deutschen Literaturinstitut Leipzig.

Weimar genießt als Klassik-, Musik- und Universitätsstadt auch in der ukrainischen Kulturwelt großes Renommee. Die thüringische Stadt mit ihrer wechselvollen Geschichte von Klassik und klassischer Moderne über die Weimarer Republik, die NS-Diktatur mit dem KZ Buchenwald und die DDR bis zum jetzigen Selbstverständnis als Kulturstadt ist bestens geeignet als Standort für den ukrainisch-deutschen Austausch, an dem wie immer auch Historiker:innen teilnehmen. Das Themenjahr Sprache der Klassik Stiftung, das Übersetzungen als Kulturleistung miteinbezieht und die Ostmitteleuropa-Orientierung der Bibliothek bieten Anknüpfungspunkte.

In Weimar stellen die Schriftsteller:innen Themen und Texte vor, die ihnen der Krieg mitten in Europa abverlangte. „Schreiben im Krieg – Kriegstagebücher“, „Schreiben im Exil“, „Ukrainische Literatur und Kultur in Zeiten des Angriffskriegs“, „Ukrainische Literaturgeschichte“ – so lauten manchen Überschriften, zugleich sind Themen der deutschsprachigen Literatur zu hören, die die Problematik der Gegenwart widerspiegeln. Eine Annäherung, nicht mehr und nicht weniger, eine Brücke aus Papier.

Die Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar

Die Herzogin Anna Amalia Bibliothek ist eine Archiv- und Forschungsbibliothek für die Literatur- und Kulturgeschichte mit besonderem Schwerpunkt auf der Epoche zwischen 1750 und 1850. Sie ist heute Teil der Klassik Stiftung Weimar mit ihren Parkanlagen und Schlössern, ihren Museen und dem Goethe- und Schiller-Archiv. Dieses Ensemble bildet Sammlungszusammenhänge, die vor allem durch die Weimarer Zeit um 1800 geprägt wurden. Seit 1797 hatte Johann Wolfgang von Goethe die Oberaufsicht über die Bibliothek und förderte den Aufbau der Sammlung. Sie war zugleich Arbeitsbibliothek der Weimarer Klassik mit Wieland, Goethe, Herder und Schiller als Lesern, Ausleihenden und Übersetzern.

Herzogin Anna Amalia gab den Anstoß für die Unterbringung der herzoglichen Büchersammlung. Sie befindet sich seit 1766 im Grünen Schloss mit einem zentralen, mehrgeschossigen Bibliothekssaal, dem »Rokokosaal«. 1991 wurde die Bibliothek nach der größten Förderin in Herzogin Anna Amalia Bibliothek umbenannt, das Historische Bibliotheksgebäude gehört seit 1998 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Im Jahr 2005 konnte zusätzlich das neue Studienzentrum mit modernen Funktionsbereichen und dem »Bücherkubus« als Herzstück der Anlage bezogen werden.

Das 2004 durch den Brand schwer beschädigte historische Gebäude wurde bis 2007 saniert. Es bildet heute zusammen mit dem Magazin und dem Studienzentrum einen Bibliothekscampus. Die Herzogin Anna Amalia Bibliothek beherbergt Sammlungen vom 9. bis zum 21. Jahrhundert, die laufend ergänzt, erschlossen und mit aktuellen Forschungsdaten und -literatur zugänglich gemacht werden.

Durch die dichte Überlieferung an Literatur und Übersetzungen wird in der Sammlung Goethes Idee der »Weltliteratur« greifbar. »Übersetzen!« ist Thema auf dem »Schreiber-Sofa im Bücherkubus«, ein Format für Austausch und Gespräch im zentralen Raum der Bibliothek.

3B06FB25-9401-4E79-B338-31C03D85BC49

Teilnehmende

Autorinnen / Autoren

Deutschland
Marcel Beyer aus Dresden
Heike Geißler aus Leipzig
Thomas Lang aus München
Birgit Müller-Wieland aus München (nur am 05.10.2022 in München)
Kerstin Preiwuß aus Leipzig
Michael Zeller aus Wuppertal

Ukraine
Juri Durkot aus Lwiw
Oleksandr Irwanez aus Irpin, zurzeit Berlin
Khrystyna ­Kozlovska aus Iwano-Frankiwsk, zurzeit Leipzig
Andrej ­Krasnjaschtschich aus Charkiw, zurzeit nach Poltawa evakuiert
Kateryna Mishchenko aus Kyjiw, zurzeit Berlin (auch am 05.10.22 in München)
Halyna ­Petrosanjak aus Tscheremoschna/Karpaten, jetzt ­Basel/Schweiz
Jurko Prochasko aus Lwiw
Natalka Sniadanko aus Lwiw, zurzeit Marbach am Neckar (auch am 05.10.2022 in München)
Oksana ­Stomina aus Mariupol, zurzeit München
Margaryta ­Surzhenko aus Luhansk und Kyjiw, zurzeit Leipzig

Geisteswissenschaftler:innen
Guido Hausmann aus Regensburg
Steffen Höhne aus Weimar
Alexander Kratochvil aus Berlin und Prag
Tanja Penter aus Heidelberg
Karl Schlögel aus Berlin

Mitwirkende

Künstlerische Leitung
Verena Nolte, München

Projektbetreuung
Anita Fellner und Anton Fellner, München
Marit Borcherding, München

Filmdokumentation
Wanja Nolte, München

Dolmetscher:innen
Anna Kauk
Halyna Kotowski
Natalya Kulabucha

Moderation
Chrystyna Nazarkewytsch
Verena Nolte
Ernest Wichner

Die Übersetzer
Deutsch-Ukrainisch
Juri Durkot
Oleksandra Kovaleva
Ludmyla Nor
Halyna Petrosanyak
Jurko Prochasko
Vasyl Lozynskyj
Natalija Shymon
Natalka Sniadanko

Ukrainisch–Deutsch
Claudia Dathe
Rita Grinko
Beatrix Kersten
Alexander Kratochvil
Jutta Lindekugel
Maria Weissenböck
Jakob Wunderwald

Russisch–Deutsch
David Drevs
Stefan Schneider

Programm

Veranstaltungsort

Herzogin Anna Amalia Bibliothek – Bücherkubus
Platz der Demokratie 4
99423 Weimar

Das Treffen ist öffentlich.
Es wird simultan gedolmetscht.
Der Eintritt ist frei.

Di, 01.11.2022

Angebot der Klassik Stiftung Weimar an „Eine Brücke aus Papier“:

18.00–20:00 Uhr
„Den Osten übersetzen“
Ein Gespräch mit Olga Tokarczuk, Lisa Palmes und Lothar Quinkenstein in der Reihe „Übersetzen! Das Schreiber-Sofa im Bücherkubus der Herzogin Anna Amalia Bibliothek“

Mi, 02.11.2022

10.00–13.00 Uhr
Begrüßung und Einführung

Leseperformance: Vorstellung der Schriftstellerinnen und Schriftsteller in Lesungen und Gespräch

10.00–11.30 Uhr
Oksana Stomina

„Mariupol. Tagebuch einer Überlebenden“

Juri Durkot
„Eine Niederlage kommt für uns nicht in Frage“ ... Aus dem Kriegstagebuch in Die Welt

Marcel Beyer
„Die tonlosen Stimmen beim Anblick der Toten auf den Straßen von Butscha“

Oleksandr Irwanez
„Auf der Suche nach einem russischen Jaspers“

Kerstin Preiwuß
„Heute ist mitten in der Nacht“

Khrystyna Kozlovska
„Gemäß den Vertragsbedingungen“

Jurko Prochasko
„Vorstellungsvermögen und Grauen“

11.30 Uhr
Pause

11.45–13.00 Uhr
Andrej Krasnjaschtschich
„Charkiw: Unter Bomben. Poltawa: Evakuiert“

Michael Zeller
„Die Kastanien von Charkiw“ – Platz des 23. August“

Natalka Sniadanko
1947 ... aus dem Roman „Der Erzherzog, der den Schwarzmarkt regierte, Matrosen liebte und mein Großvater wurde“

Heike Geißler
„Ja, wir sterben jetzt“ aus dem Roman „Die Woche“

Halyna Petrosanjak
„Du liegst/zerrissen/eingewickelt/im kalten Todeshemd/aus schwarzem Plastik“ – Gedichte

Thomas Lang
Brief an meine Eltern, 3. Mai 2021 „dies ist der erste Brief, den ich euch seit etwa vierzig Jahren schreibe“

Margaryta Surzhenko
„Apartment der Kyjiwer Sünden“

15.00–17.00 Uhr
Exkursion (nur Teilnehmende)
mit Paul Kahl, Literatur- und Kulturhistoriker

17.30–18.30 Uhr | Herzogin Anna Amalia Bibliothek
Vortrag – Steffen Höhne
„Von ,Halb-Asien’ nach ,Europa’: Die Bukowina als europäische Kulturregion“

Diskussion

Do, 03.11.2022

10.00–11.00 Uhr
Vortrag – Tanja Penter
„Olgas Tagebuch (1941–1944): Deutscher Vernichtungskrieg und doppelte Diktaturerfahrung“

Diskussion mit den anwesenden Autorinnen/Autoren von Kriegstagebüchern 2022

11.30 Uhr
Pause

11.45–12.45 Uhr
Vortrag – Guido Hausmann
„Kollektive Erinnerungen an militärische Tote in der Ukraine im 20. und 21. Jahrhundert“

Diskussion

14.00–16.00 Uhr
Exkursion
 (nur Teilnehmende)
Führung durch die Herzogin Anna Amalia Bibliothek mit Reinhard Laube

19.00–21.30 Uhr
Lange Lesenacht
mit allen teilnehmenden Schriftsteller:innen

Fr, 04.11.2022

10.00–12.30 Uhr
Exkursion (nur Teilnehmende)
in die Gedenkstätte des KZ Buchenwald

14.30 Uhr
Vortrag – Karl Schlögel
„Wie von einem Blitzstrahl erhellt. Deutsche Szene nach dem 24. Februar 2022

Diskussion

15.45 Uhr
Pause

16.00–17.00 Uhr
Vortrag – Alexander Kratochvil
„Übersetzen in Zeiten des Krieges“

Diskussion

17.30–18.00 Uhr
Resümee des Treffens, Planung 2023

Partner:innen

Förderung
Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland
Kulturreferat der Landeshauptstadt München
Gesellschaft Anna Amalia Bibliothek e.V.

Kooperation
Klassik Stiftung Weimar – Herzogin Anna Amalia Bibliothek
Deutsches Literaturinstitut Leipzig
Münchner Volkshochschule
Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung, Darmstadt
Literaturportal Bayern
Lviv City of Literature

Einblicke

Weimar_04
EF18DBB2-E744-4E2F-B76A-1502CF395460
EAF689EE-B284-4DF4-95DA-5AB67BE1CA94
340739A6-935E-48C4-A13D-EEF9C1A8208A
E50C7B44-5B02-4620-AA71-DDC4C90085DC
F8F94E99-D1A6-428F-9E44-B43491E2CAA8
682A2149-9D61-4E4E-B8F7-60ADBC9C0DD0
9B4AB5FF-BFF8-498C-8A40-099BCFBA42BB
Weimar_03
Weimar_06
D3A0802E-278C-4DCE-A9AF-CF6F76D5DAFB-1
Weimar_02
BF3878FB-14F2-4A4C-8E25-236281F0F865
6CE9CCC8-0929-4F24-9A29-36F974AE54F5
18FD8AF1-64F9-4EDD-87BE-7C6F1AAB1CBF
FB910471-4BFC-4733-A73C-581046DA3809
F4E38739-DA50-414B-B700-00806964DCC6
9664075C-8D93-4D53-B127-8F14480C3097
9D7F6970-5953-4F32-8904-91234EC255E4
CF966A59-DD6F-4603-A170-80D3A2B9753E
484B1C22-A993-4E6E-94C3-11F6D5F37631
9041F216-D3DC-41E3-BA2A-39FEF364898D
8F2DF061-2376-4803-AA71-98BAB1478635
Weimar_11
5C6AF247-F9BC-485D-85F6-3E86B3424AE3
822E5369-9FA5-4625-8AB4-021E4985A7FC
C6B1D044-57F4-41C0-B38D-C076AAE3AE40
E8B49B9F-3988-4B9E-BDB3-0E8549F9421C
3DA44396-02C9-4E14-B8B5-664EF3685800
6DC4F2BC-04A8-4F54-9E27-7D530286C8C4
BB777D12-BA8C-41A9-B1B2-4299C2D04BCE
A9D1B5BA-1B9D-4BB9-92BE-398A6990B5CE
B04CD99B-D6D5-45AB-8D50-4D5DF2C932B5
41DADFDD-4BC9-4930-BFF2-0D54D7F66051
0ACFBC1C-68EF-4822-966D-CD7EA3FD8E32
8890B583-8FE5-475A-97E5-9236A027061B
28797E52-8A03-45C9-8D8E-A2BE34B8B62A
BFAC1F9A-2AB0-48D0-9BE9-7C3D6FCF48D0
Weimar_10
B3487FC2-87ED-4324-9BF2-A2662A92E315
Weimar_08
Weimar_09
10AB2837-C1BC-47B3-A8B5-8E6F23CF9C66
Weimar_07
3486AC5A-E1FE-4758-8C5C-C9C007B0A95E
79382BBC-67F3-48DF-9D3B-BA065CEB149B
FF688BFD-9D95-4DF2-A611-8066EB6EB181
8BF1F5B7-9E7A-4C01-A50C-E2A66B693B30
B8E06A2B-FEDA-4BB5-A4BB-0700412D7ACE
DC40945F-71DD-4E5E-BEF9-A801B00F43C0
69B018D9-4522-4C3B-A0CD-8B3F7EDB8542
18C45126-CBC5-421B-ACF8-CC1AD5EADEBA
D325FFB6-75CF-4DE3-AE7B-AF59CAB83B0F
0ABC8A61-7AB3-42F6-929E-EFA8A351B8AD
66E67DC3-3D87-4E42-BFF8-7DFFE6B51105
A1843A91-C06E-4BC2-92ED-07A846B24C45
10A25430-92CA-4EA6-83EA-54B515FAE0CE
1C51DD93-219D-47B2-AD36-5B13363B97DF
BC4E3110-C6C1-4B3A-8CB6-913AB95AA6F1
13053F8E-B349-4A01-B032-426170E9E16D
2490EC18-CCCC-49D1-9F6E-9001F34B2784
D9A10F6D-17E6-4BE4-8F24-DE28DC8B3388
3815D1D9-F874-45D1-BDFD-3DC39C3300EC
8214D7F5-80D3-47D7-A782-DCE284100FAE
Weimar
D1B1E163-D2A4-42D3-9007-ACBF1C2C093B
ED029E99-7233-4CA2-A14E-2B4D048642E4
17C3C736-4813-468F-8B20-102B81ED46A9
90B00CD3-A0D0-4D94-8EFC-6B74C169B10A
6F633A07-A6D4-4BD5-9E0C-296429B8304B
5C6967E9-A8AC-46FA-B47C-474D6437751D
0FCF27B1-D6FD-45EF-9E6B-661BBADF0157
4C76163E-6FA8-4469-8FE2-723F1362CCBF
B2E7C311-CD68-4F88-BD2A-BB06EF69BF43
8A4FD486-BF42-48AE-BDF4-2BC32DA4F4DA
8B37E210-AAD9-4DC7-AE20-59B39C06F105
0A49B3DC-D49D-4315-83E0-3418E4901552
Weimar_05